In der polnischen Sprache lautet der offizielle Name der Weihnachten "Geburt Gottes" ("Boże Narodzenie"). Dies ist eine Art theologische Zusammenfassung des irdischen Lebens Jesu.
Die Geburt Christi vor über zweitausend Jahren wurde von ungewöhnlichen Zeichen begleitet. Eine Jungfrau hat einen Sohn empfangen und geboren. Über ihm sagte ein Engel, daß er Sohn der Allerhöchsten Gottes genannt wird. Sie gebar ihn in einem Stall, zu dem bald Hirten eilten, welche über außergewöhnliche Zeichen am Himmel mitten in der Nacht sahen. Propheten des Tempels verkündeten geheimnisvolle Dinge über ihm. Könige vom Osten huldigten ihm, und der König Herodes trachtete danach, ihn zu ermorden, weil er um seine Macht zitterte. Und in der Tat sollte der Augenblick kommen, als viele Menschen erkannt haben, daß er wahrlich Sohn Gottes ist. Und als er auferstanden war, da glaubte ihm schon jeder, der bei Verstand war, wenn er sagte daß er den Menschen die Himmelspforte eröffnete. Dann war alles klar: Die Geburt Jesu Christi war ein Umbruchereignis in der Geschichte der Menschheit. Sie war allen so wichtig, daß die Zeit seit jenem Ereignis gezählt wird.
Diese Tatsachen determinieren auch die Art und Weise, wie Geburt Gottes gefeiert wird. Wir wollen alle den Vorgeschmack des Himmels erleben. Und womit wird der Himmel assoziiert? Natürlich vor allem mit einem Festmahl. Hier auf Erden braucht man aber viel Arbeit, um so ein Festmahl vorzubereiten. Darum werden die Tage vor Weihnachten zu Tagen intensiver Arbeit. Es wird zu Hause aufgeräumt, gewaschen, gebügelt, gekauft, gekocht, der Weihnachtsbaum wird geschmückt, die Krippe wird gebaut. In jedem Haus wird sichtbar, daß da etwas los sein wird.
Kleine Kinder wissen bereits, daß am Tag vor Weihnachten gefastet wird. Es gibt kein Mittagessen, nur Brot mit Butter und Marmelade wird da verspeist. Bis schließlich der erste Stern am Himmel am Heiligabend erscheint. Dann wird der Tisch mit fleischfreien Speisen gedeckt und die Familie versammelt sich zum feierlichen Abendessen. Oftmals kommen die ganzen Großfamilien zusammen: Opa, Oma, Onkel, Tanten, Vetter und Kusinen. Der Fernseher wird schweigsam und man kümmert sich um ihn nicht mehr. Denn die zentrale Figur wird Gott.
Auf dem mit einer weißen Tischdecke überzogenen Tisch liegt die Bibel und Weihnachtsoblaten. Dazwischen steht die Kerze. Ein Platz am Tisch ist für einen Fremden reserviert. Falls da jemand unterwegs wäre oder aus sonstigen Gründen nicht mit der Familie Weihnachten verbringen kann, da kann er an beliebige Tür klopfen und den reservierten Platz einnehmen. Heutzutage passiert so etwas ganz selten, die Technik funktioniert meistens, aber dennoch gibt es ab und zu Umstände, wo man von dieser Tradition Gebrauch macht. Zum Beispiel in einem schweren Winter, wenn die Züge stehen bleiben und man hat keine Chance, mit der Familie den Heiligabend zu verbringen.
Das Heiligabendessen beginnt man mit einem Gebet, die vom Vater der Familie geleitet wird. Man bekreuzigt sich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Die Mutter zündet die Kerze an mit den Worten:
" Licht Christi."
Alle antworten : "Dank sei Gott dem Herrn."
Das älteste Kind zündet die Lichter am Weihnachtsbaum an.
Der Vater sagt:
"Vor zweitausend Jahren kam zur Welt Jesus Christus, Sohn Gottes, der erwartete Heiland. Hören wir die Beschreibung dieses Ereignisses im Evangelium nach Lukas. ." Er ließt den Text vor:
„2.1 In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. 2 Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. 3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. 4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. 5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seinem getrauten Weibe, die ein Kind erwartete.2 6 Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, 7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. 8 In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. 9 Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, 10 der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: 11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.3 12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. 13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: 14 "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens". ” (Lukas 2, 1-14).
Nach dem Verlesen des Evangeliums stimmt der Vater das Weihnachtslied „Macht wird schwach, Gott wird geboren” an. Dann leitet er das Gebet:
"Gott, unser Vater, in dieser feierlichen Stunde preisen wir Dich und danken für die Nacht, als Du uns denen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn und Heiland geschickt hast und wir bitten Dich:
1. Erteile unserer Familie die Gabe der Liebe, der Eintracht und des Friedens. Wir bitten Dich, erhöre uns, Herr.
2. Schenke unseren Nachbarn, Freunden und Bekannten den Frieden in dieser Nacht.
Wir bitten Dich, erhöre uns, Herr.
3. Tröste alle Verlassenen, Einsamen, Kranken, Armen und Hungrigen in der ganzen Welt, und stärke sie mit Guter Nachricht in dieser heiligen Nacht.
Wir bitten Dich, erhöre uns, Herr.
4. Schenke unseren Verstorbenen (nenne die Namen) das Glück und das Licht Deiner Herrlichkeit.
Wir bitten Dich, erhöre uns, Herr.
Lasset uns um fröhliche Weihnachten für uns, unsere Verwandten, alle, die unseren Herzen nahe sind, beten. "
Alle beten
„Vater unser”,
"Gegrüßet seit Du Maria",
"Ehre sei dem Vater".
Und durch die Barmherzigkeit Gottes mögen die Seelen aller verstorbenen Katholiken im ewigen Frieden ruhen.
Amen" .
Der Vater betet:
"Herr Gott, Du hast es verursacht, daß diese heilige Nacht mit dem Schein des wahren Lichts Deines Eingeborenen Sohnes erleuchtet wurde. Schenk uns die Gnade, daß wir in der alltäglichen Vorgehensweise mit der Helligkeit Deines Lichts scheinen. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Und jetzt im Geiste der Liebe und Vergebung lasset uns die Oblate, das Brot der Liebe, brechen. Indem wir unsere Herzen in der gegenseitigen Liebe öffnen, eröffnen wir sie für das Kommen des Herrn. Er möge immer mit uns sein. "
Der Vater als erster beglüwünscht alle und bricht die Oblate mit allen. Die ganze Familie tut dasselbe.
Nun folgt das Gebet vor dem Essen: " Segne Herr Gott uns und diese Gaben, die wir aus Deiner Gnade verspeisen sollen, durch Christus, unseren Herrn, Amen."
Es beginnt das feierliche Abendessen. Kein Fleisch. Kein Alkohol. Dafür Speisen, die nur für diesen Abend einmal im Jahr zubereitet werden. Traditionell müssen es 12 Speisen als Erinnerung an die zwölf Apostel sein. Welche Speisen welche Apostel symbolisieren, ist leider in Vergessenheit geraten. Auf jeden Fall werden verschiedene Karpfenspeisen vorgesetzt: Karpfensuppe, gekochter Karpfen, in der Sahne gebackener Karpfen, gebratener Karpfen, Karpfen in der Gelatine usw. Unterschiedlich zubereiteter Hering wird ebenfalls genossen: angefangen mit Heringsalad bis zum Hering nach kaschubischer Art. Andere Fischgerichte, wie Fisch nach griechischer Art, Lachs im französischen Keks. Es kommt Kohl mit Pflaumen, Kohl mit Erbsen, Kohl mit Pilzen, Gemüsesalat, Pilzsuppe, roter Borschtsch mit "Örchen", jede Art von fleischlosen Pierogen und ähnliches. Anschließlich wird der Kompott aus Trockenpflaumen getrunken und es wird Leibkuchen und Pfefferkuchen, Kutja oder Mohnkuchen gegessen. Dazu noch gebackene Äpfel. Wohlbemerkt, das Zubereiten des Leibkuchens beginnt bei uns am ersten Adventssontag.
Nach dem Abendessen wird zuerst gebetet ("Wir danken Dir Gott für all Deine Gaben, der Du lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.") Dann kommt der symbolische Besuch des Heiligen Niklaus, des Bischofs von Myra. Es ist immer eine Freude, die Päckchen mit Geschenken zu empfangen und zu bewundern.
Anschließend werden Weihnachtslieder gesungen.
Gegen Mittenacht gehen viele zur Hirtenmesse. Die anderen gehen zur Messe am Tage.
Die feierliche Atmosphäre des Heiligabends dauert weiter am ersten und zweiten Weihnachtstag. Es wird jetzt nicht die Vorfreude sondern die Geburt Christi selbst bedacht. Fastenzeit ist vorbei, sodaß man auch Fleischspeisen auf den Tisch bringt. Fleischsalat, Pasteten, Hünchen in Rosinensose, Ente in Äpfeln, gebackene Gans, Gehacktes nach römischer Art, usw.
Man besucht alle Verwandten, die in der Gegend wohnen, oder aber reist in eine andere Ecke Polens, um dort die Eltern, Großeltern, Brüder, Schwestern, Onkel, Tanten, Vettern, Kusinen zu treffen.
Doch am wichtigsten ist die Begegnung der ganzen Familie mit Gott. Weihnachtslieder werden nicht nur am Heiligabend, am Ersten und Zweiten Weihnachtsfest sondern 40 Tage lang bis zu Mariä Lichtmess gesungen. In der Zeit feiert man das Fest der Heiligen Familie, der Heiligen Gottesgebärerin, des Allerheiligsten Namens Jesu, der Drei Könige, der Heiligen Unschuldigen Kinder-Märtyrer, des Heiligen Märtyrers Stephanus. Alles Feste, die uns den Wert der Familie nahebringen und uns gleichzeitig an den geistigen Kampf um die Bewahrung der Institution der Familie in der Geschichte der Menschheit erinnern.
Dabei spielen die Weihnachtslieder eine ganz besondere Rolle. Einerseits erzählen sie die Geschichte der Geburt Christi, wobei verschiedene Lieder verschiedene Aspekte hervorgeben. Aber die polnischen Weihchtslieder sind gleichzeitig Zeitzeugen. Viele Lieder, die noch heute gesungen werden, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Man sieht in ihnen die Kontinuität des Glaubens der Väter. Im Gegensatz zu vielen Völkern Europas, wo den verfolgten Christen die Regierungen über Jahrhunderte das Singen der Weihnachtslieder sogar unter Androhung der Todesstrafe (z.B. Großbritanien) verboten haben. Die Kommunisten versuchten auch in Polen das Singen der Weihnachtslieder zu unterbinden. Über Jahrzehnte durfte man keine Sammelbände mit Weihnachtsliedern drucken. Man versuchte Weihnachten mit Neujahrfeier zu ersetzen. Man propagierte "Winterlieder". Als dies nicht half, versuchte man abgeänderte Versionen der Weihnachtslieder in den Umlauf zu bringen, um den Charakter des Festes zu verzerren. Das ganze endete mit einem Versagen. Heute gibt es Schalplatten mit Weihnachtsliedern, die man sich anhören kann, wenn man gerade selber nicht singt. Weihnachtslieder sind zum Symbol der Freiheit geworden, die man auch heutzutage verteidigen muß. Nebenbei bemerkt, deutsche Weihnachtslieder werden angeblich öfters in Polen als in Deutschland gesungen.
Die Bemühungen der Feinde des Christentums haben allerdings doch so manche Spuren hinterlassen. Da die Weihnachtslieder über Jahrzehnte nur in Mundversion lebten, gibt es heute viele parallele Varianten mancher Lieder. Viele Menschen bemühen sich, alte Texte wiederherzustellen, indem sie Bücher aus dem 19. Jahrhundert aufsuchen und studieren. Das ist auch ein Zeichen unserer Zeit.
Am Rande der Feierlichkeiten muß man sich ernsthaft fragen, warum es jemand stört, daß sich Leute zu Weihnachten freuen. Diese Feindlichkeit gegenüber der Freude sieht man z.B. daran, daß man Zweifel an der Historizität der Evangelistenberichte über Geburt Jesu schürt, daß man Evolutionsmärchen erfindet, Haßartikel in der Presse veröffentlicht, Haßreden im Fernsehen hält und sogar Terroranschläge zu Weihnachten organisiert. Wer sind denn die Hintermänner? Die polnischen Weihnachtslieder geben in der Bauernsprache eine direkte und klare Antwort. Es sind keine Hintermänner, sondern Dämonen. Viertausend Jahre vor Christus lebten die ersten Menschen im Paradies. Ihr Glück gefiel aber dem Satan nicht. Er hat sie zum Ungehorsam verführt und seit der Vertreibung aus dem Paradiese arbeitet er weiter daran, daß die Menschen einander hier auf Erden eine Hölle machen und dann nach dem Tode in der echten Hölle landen. Diesem Zweck dienen ja der Abtreibungsmord und andere Verbrechen gegen menschliches Leben, Raub und Zerstörung durch Krieg und Wirtschaftskriesen, Vergewaltigungen und Ehebruch, und so weiter, und so fort. Die Leute aber sehnten sich nach der Rückkehr ins Paradies. Vor zweitausend Jahren ist Christus geboren, der den Menschen die Tore des Paradieses wiedereröffnete. Jedermann, der es will, kann ein erfülltes Leben hier auf Erden führen und dann in den Himmel kommen. Das Leben in Gegenden, wo Christen dominieren, ist viel leichter geworden. Das gefällt dem Teufel natürlich nicht und er haßt die Weihnachten, weil mit der Geburt Christi sein Untergang begann. Freuen wir uns also, wenn er sich ärgert, denn es ist ein offensichtliches Zeichen seiner Hilfslosigkeit. Und ein Zeichen des Sieges Christi, an dessen Früchten wir Anteil haben.
Siehe auch polnische Weihnachtslieder auf polnisch und ihre deutsche Übersetzungen (als auch Melodien).