Wie vergeßlich die Leute aber sind. Das sieht man gerade an der 600.000-Seelen-Stadt Wroc³aw im Südwesten Polens, die seit über 1.000 Jahren ein polnischer Bischofssitz ist. Man redet da viel von Vertriebenen und meint gerade diejenigen, die selbst geflüchtet sind. Oder, wenn man ganz genau sein will, es waren die Deutschen, die die anderen Deutschen aus Wroc³aw am Ende des zweiten Weltkrieges vertrieben haben. Und zwar aus einem guten Grund, den wir hier nicht weiter verfolgen wollen. Ihren Platz nahmen die Polen ein, die wirklich aus ihrer Heimat vertrieben worden sind und von denen man bis heute nicht sagt, daß sie vertrieben wurden. Sie brachten ihre Schmerzen hierher - das Andenken an die Verwandten, die im fernen Sybirien unter Qualen starben oder in verschiedenen Lagern umgebracht wurden. Die Teilnehmer der Hochzeit der Hochzeiten ehrten ihr Andenken mit Blumen an verschiedenen Denkmälern.
Eine solche Gedenkstätte sieht man auf dem obigen Photo.
Man kann sich schon wundern, daß so viele Kinder zu einer Hochzeit reisen. Wenn sie eben alkoholfrei ist, brauchen die Eltern um ihre Kinder nicht zu bangen. Der andere Grund ist ebenso überzeugend: Es werden für die Kinder während dieser Veranstaltungen besondere Attraktionen geboten: In Wroc³aw zum Beispiel die Zoo-Besichtigung mit den Fernsehstars Gucwiñscy, die dieses Zoo leiten.
In Polen ist es schon so, daß eine fünfköpfige Familie, die nicht trinkt, sich ein Kind noch zulegen kann, ohne das Lebenstandard zu senken. Daher die vielen Kinder.
Traditionsgemäß fand der Ball der Hochzeit der Hochzeiten am Sonnabend statt. Nach dem Mittagessen fuhren wir mit einem Bus zum Dom (Kirche St. Johannes dem Täufer, Nazaräer). Dort spielte uns den Mendelson-Marsch ein Jugendorchester aus Hochgebirge. Der Prediger und Hauptzelebrant der Messe, Bischof Andrzej Siemieniewski, Abstinenzler, sagte zu uns: "Ihr seid die wahre Cana von Galilea, denn ihr habt alkoholfreie Hochzeiten gehabt!". Nach der Predigt sagten die Eheleute zueinander: "wenn ich heute wählen sollte, würde ich Dich wieder wählen". Es ist romantisch, aber wahr.
Wir gingen wieder zum Bus, mit dem wir in eine akademische Kantine fuhren, wo Hochzeitsball gefeiert wurde. Das Orchester der jungen Hochbergmusiker spielte wieder. So wie es in Polen die Sitte ist, wurde getanzt, gegessen, geredet. Es gab Gemeinschaftsspiele. Es gab auch ein besonderes Programm für Kleinkinder, wo sie sich wie im Kindergarten fühlen konnten: Versteckspiele, Verkleidung, Klettern usw.
Moderne Hochzeitbräuche wurden vorgeführt. Zu denen gehören sog. "Oczepiny" ("Behaubung"). Dieser Brauch ist typisch für die meisten slawischen Völker. Es ist ein symbolischer Abschied der Braut vom jungfräulichen Stand und ein Übergang in den Stand der Ehefrau. Der Name kommt von der Haube, einer Kopfbedeckung, die die Ehefrauen einst trugen. Zwar ist diese Sitte sehr alt, aber wird nun mit modernen Inhalten gefüllt. Auf eine unterhaltsame Weise wird dabei den frischen Eheleuten beigebracht, was für neue Pflichen auf sie jetzt warten. Die Texte werden meist gesungen.
Es kamen auch Journalisten, um Interviews zu ergatten. Pater Z¹zel hat sie darauf hingewiesen, was für eine Rolle sie in der Gesellschaft spielen und daß sie deshalb ehrlich berichten und nicht etwa gute Initiativen verspotten sollten. Der Grund für eine solche Mahnung war natürlich der Stiel der Befragung, mit dem sie anfingen. Etwa "Warum haben Sie sich entschieden, eine so komische Hochzeit zu feiern?". Pater Z¹zel unterstrich, daß nicht die Trunkenheit sondern die Nüchternheit ein natürlicher Zustand eines Menschen ist.
Während des Balls entstand die Initiative, den Verein Hochzeit der Hochzeiten ins Leben zu rufen.
Die Zeit verging so schnell, daß es bald dämmerte.