Hochzeit der Hochzeiten AD 2005 fand in Olsztyn, der Hauptstadt der tausend Seen, statt. Olsztyn selbst ist eine ungewöhnlich schön gelegene Stadt. Es gibt dort etwa acht größere Seen und eine Unzahl kleinerer. Wir wohnten dort in einem Studentenheim einer sehr hohen Klasse (Internetanschluss an jedem Bett) direkt an einem kleinen, angeblich 30 Meter tiefen See. Fünf Minuten Spaziergang trennten uns von einem See mit Badegelegenheit. Wir machten auch davon Gebrauch. In der Olsztyner Kathedrale erwartete uns eine kleine historische Überraschung. Ein Bischof von Varmia wurde vor Jahrhunderten zum Papst gewählt worden. Er war allerdings ein Italiener.
Als eine Art Auftakt galt die Pilgerfahrt nach Gietrzwald, dem Erscheinungsort der Jungfrau Maria von 1877, wo unter deutscher Besatzung polnische Gemeindemitglieder den deutschen Pfarrer gegen Willkür preußischer Beamter verteidigten. Es ergab sich so: Gietrzwa³d wurde wegen der Erscheinungen zu einem berühmten Pilgerort im neuzehnten Jahrhundert. Wegen eines Verbots der Wallfahrten nach Czêstochowa, fingen besonders viele Leute an, nach Gietrzwa³d zu pilgern. Es war gerade die Zeit des Kulturkampfes und das gefiel den Beamten des eisernen Kanzlers nicht. Der dortige Probst war ein Deutscher, der für polnische Gemeindemitglieder und Pilger Predigten auf Polnisch hielt. Das wurde den Beamten zu viel und sie ließen ihn verhaften. Daraufhin gingen fast alle Bewohner von Gietrzwa³d in die Kreisstadt und beteten Rosenkranz tagelang auf der Straße vor dem Gefängnis. Mit Erfolg. Sie bekamen den Probst zurück.
Nach dem zweiten Weltkrieg war Gietrzwa³d wieder Gegenstand des Hasses von Beamten, diesmal der Kommunisten. Es gab keinen Wegweiser in diese kleine Ortschaft. Auf die Weise verlor dieser Ort an Bedeutung, aber trotzdem fanden doch welche Leute den Weg hierher.
Wir besichtigten auch ein Freilichtmuseum des polnischen Dorfes und begaben uns zum Grunwalder Denkmal. Wer die deutsch-polnische Geschichte kennt, weiß, dass es sich um den Ort der größten, für Polen siegreichen Schlacht des Mittelalters handelt. Die Schlacht von Grunwld war nicht eine Schlacht des Militaers zweier befeindeten Staaten. Es war ein Krieg der Welten: der Welt des Hedonismus derer, die von der Arbeit anderer leben wollten, und der Welt des Fleißes der freidlichen Feldbebauer. Die Amerikaner haben ihre Legende vom Bostoner Teetrinken. Die Polen - die Legende vom Grunwalder Weintrinken. Der gesamte Vorrat am Alkohol, den die Kreuzritter für die erwartete Siegesfeier mit sich zum Schlachtfeld gebracht haben, wurde von den Polen in einen See hineingegossen. Man hätte danach tagelang den Gestank des Schwefels (Kennzeichen für die Anwesenheit des Teufels) über dem See gerochen haben, bis man die Gegend mit Weihwasser bespritzt hätte.
Überraschenderweise kam das Thema des Kampfes der Zivilisationen ins Gesprech während des Olsztyner Treffens. Das Treffen war nämlich mit der alkoholfreien Hochzeit eines Paares aus Deutschland verbunden. Sie kamen mit ihren Gästen speziell nach Polen, um Hochzeit ohne Alkohol feiern zu dürfen. So war die Hochzeitjubiläumsmesse der Hochzeit der Hochzeiten gleichzeitig die Trauungsmesse des jungen Paares aus Deutschland. Das Sakrament spendete Pater Zazel, der die Treffen der Hochzeit der Hochzeiten inizierte. Danach in einem gemeinsamen Zug durch die Straßen der Stadt begaben sich alle (mit dem Präsidenten der Stadt an der Spitze) zu einer Turnhalle, wo auch gemeinsam Hochzeit gefeiert wurde. Es kamen über fünfhundert Leute (Familie und die Teilnehmer des Treffens) zusammen.
Die Hochzeit der Hochzeiten hatte auch zahlreiche andere kulturelle Höhepunkte, wie Auftritte von Volksmusikgruppen und einer Jugendband, Vorträge von Sozialwissenschaftlern usw. Es gab auch Gelegenheiten, um in einem der Stadtseen zu baden, durch Wälder zu wandern und radzufahren.
Es ist immer interessant und lustig zu hören, was die Teilnehmer über ihre alkoholfreie Hochzeiten erzählen. Und doch gelingt es immer wieder, den Widerstand des Familien- oder Freundeskreises zu durchbrechen und eine gelungene Hochzeit zu haben, die noch nach Jahren in einer guten Erinnerung bleibt. Und es bleibt auch die Ehe, was am wichtigsten ist.
Eines der Ehepaare stieß bei zahlreichen Bekannten auf harte Absagen. Unbekümmert luden sie also andere Gäste ein. Was für Überraschung sie da hatten, als nicht nur die Zusagenden, sondern auch die Absagenden erschienen sind. Glücklicherweise meisterte die Lage der Hochzeitsvorsteher exzellent und man konnte alle Gäste an die Tische setzen. Mit dem Essen gab es keine Probleme, denn die Lebensmittel und Getränke werden für Hochzeiten in Polen immer im Überschuß vorbereitet.
Immer wieder bewundern wir die Hochländer (Gorale), die trotz der glühenden Sommerhitze in ihren Volkstrachten erscheinen. Darunter der Pater Zazel, der nicht gerade der jüngste ist. . Ihr Erscheinen zu den Heiligen Messen, Treffen mit den Behörden und Auftritte während des Balls machen unheimlich viel Spaß und sind immer ein unvergeßliches Kulturerlebnis.