1. und 2. Polnisches Nationales Treffen der Ehepaare, die Alkoholfreie Hochzeiten Hatten

Hochzeit der Hochzeiten 1995 und 1996

Kamesznica (Polen), 1995 und 1996

Man hätte lange erzählen können, wie es zu der Serie der Treffen "Hochzeit der Hochzeiten" gekommen ist. Es war umgefähr so wie in einer Wohnungsgenossenschaft. Einer schrieb an die Verwaltung, daß die Wände abzudichten wären. Er bekam darauf die Anwort: "Alle sind zufrieden, nur Sie meckern". Einmal unterhielt er sich mit dem Nachbarn darüber, daß die Heizungskosten zu hoch sind, weil das Gebäude nicht abgedichtet ist. Darauf sagte der Nachbar, er hätte schon an die Verwaltung geschrieben und die Antwort bekommen, daß nur er in dem Hause meckere. Beide verglichen die erhaltenen Schreiben. Bald hat es sich erwiesen, daß schon fast alle die gleiche Antwort bekommen haben. Da staunten sie und beschlossen, gemeinsam vorzugehen. Die Verwaltung hat gleich aufgegeben, als sie sah, daß alle alles wissen.

Es gibt zwar nicht so viele alkoholfreie Hochzeiten, daß man sagewn könnte, ganz Polen heiratet ohne Alkohol, doch der Informationsfluß läft genau wie in der Wohnungsgenossenschaft. Eines der zahlreichen Ehepaare, die dachten, daß sie allein in dieser Welt alkoholfrei heirateten, war sehr überrascht, als es erfuhr, daß es ein ganzes Dorf gibt, wo lauter alkoholfreie Hochzeiten gefeiert werden. Sie wollte deshalb die Idee unter den Leute verbreiten. Und da es eine Sendung bei einem gerade entstehenden Amateurrundfunk leitete, lud sie kurzerhand den Probst jener Pfarrgemeinde ein, damit er erzählt, wie man solche Hochzeiten macht. Da der Rundfunk interaktiv ist, kam eine neue Überraschung. Aus ganz Polen riefen Leute an: "Wir hatten auch eine alkoholfreie Hochzeit gehabt". Der Priester begriff die Gunst der Stunde und sagte: "Also treffen wir uns".

Richtig geraten: es war Pfarrer Władysław Zązel aus dem Dorfe Kamesznica. Und so kamen die ersten zwei Treffen "Hochzeit der Hochzeiten" zustande, die ausgesprochene Wallfahrten waren. Eine Wallfahrt ist eine Reise zum Zweck des Besuches einer bestimmten Gebetsstätte mit religiöser Bedeutung, wo zum Beispiel große Wunder geschehen. Kamesznica ist genau ein Ort, wo ein unvorstellbares Wunder geschah: seit Jahren werden fast alle Hochzeiten ohne Alkohol gefeiert. Wenn man auf die Jahre der sozialistischen Regime seit 1939 denkt, und daran, welchen hohen Wert die Sozis aller Färbungen auf den Alkoholkonsum gelegt haben, muß man schon staunen.

Das Wunder kam natürlich nicht von allein. Kamesznica liegt in einer wunderschönen Umgebung des Beskid-Żywiecki-Gebirge in den äußeren Westkarpaten, südlich der Stadt Żywiec. Das Dorf erstreckt sich über mehrere Kilometer entlang des Tals der Bystra und Janoska am südöstlichen Hang der Barania Góra. Die beiden Flüsse münden in der Mitte der Ortschaft in der Kameszniczanka.

Doch die 3.000 Bewohner wußten die von Gott geschenkte Schönheit nicht zu schätzen und flüchteten in die virtuelle Welt des Alkohols. Sie taten dem Probst Zązel leid. Deshalb faßte er den Beschluß, radikal zu handeln. Er erließ ein Probstgesetz, wonach er kein Geld von den Verlobten nehmen wird, die mit Alkohol ihre Hochzeiten feiern. Denn nur Pracher saufen und und es wäre unanständig, von einem Bettler Geld anzunehmen. Dies hatte große Wirkung, die Leute kehrten zum Leben zurück.

Der Probst Zązel wurde dadurch in ganz Polen in den Kreisen der Nüchternheitsseelsorge bewundert. Er aber wollte die Idee der alkoholfreien Hochzeiten allen zugänglich machen und das war der Grund, warum er die Ehepaare, die eine solche Hochzeit hatten, aus allen Ecken Polens zu sich eingeladen hatte. "Nicht der Vortrag sondern ein Beispiel" pflegt er zu sagen. Er wollte eben seinen Gemeindemitgliedern aber auch den anderen zeigen, daß es auch andere Leute gibt, die ebenfalls alkoholfrei heirateten. Er wollte die geheimnisvolle, erdrückende Schweigeverschwöhrung brechen. So kamen etwa 60 Ehepaare aus Jelenia Góra, Wrocław, Wałbrzych, Łódź, Toruń, Skierniewice, Płock, Ostrołęka, Łomża, Białystok, Lublin, Rzeszów, Częstochowa, Kraków, Ochotnica Górna, Nowy Targ, Dębno Podhalańskie, Łopuszno, Szczwnica, Zakopane, Brzegi, Bielsko-Biała, Kęty, Chochołów und anderen Ortschaften. Der Papst Johannes Paul der Zweite hat ein Grußschreiben zukommen lassen. Man hat einen Hochzeitball veranstaltet, wo ein Górale-Orchester gespielt hat. Natürlich gab es auch Bergwanderungen, um die schöne Gegend kennenzulernen.

Bei der Abreise sehnten sich alle danach, wieder eine solche Feier zu haben. Und so begann diese Veranstaltungsreihe.